Dienstag, 30.07.2019 Am Oberländer Kanal

Die Sonne kitzelt mich schon früh aus dem Bett. Wieder ein herrlich sonniger und warmer Tag hier in Polen. Für mich heißt es heute aber auch fahren. Ich will zum Oberländer Kanal, wo die Schiffe die „Berge“ auf

Lorenwagen überwinden. Das möchte ich mir unbedingt ansehen und eventuell kann ich ja auch mitfahren. Ulli hat erzählt, dass er angesprochen wurde und zum Boot per Auto gebracht wurde. Auch der weg zurück zum Auto war durch die Reederei organisiert. Schauen wir mal.

Ich frühstücke draußen und packe dann alles zusammen. Die Toilette wird auch entleert, was hier aber scheinbar nur Männer machen, denn der Ausguss ist im Herrenklo. Zum Glück gibt es aber nur Kabinen, keine Urinale. Trotzdem werde ich blöd angesehen, aber was solls.

Schon kurz vor Zehn fahre ich vom Campingplatz. Als ich nunüber den See in die andere Richtung gucken kann, muss ich feststellen, dass da ein ordentliches Unwetter aufzieht. Aber ich habe Glück, ich fahre ihm weg. Nur einmal ganz kurz nieselt es etwas. So richtigen Platzregen möchte ich hier beim Fahren mit den Straßen lieber nicht erleben. Da sind richtige Spurrinnen im Asphalt.

Ich komme gut voran und habe als Zwischenziel Lottchens Geburtsort eingegeben. Unser Lottchen ist für mich so etwas wie eine Oma, die während des Krieges aus Ostpreußen geflüchtet ist und bei meinen Großeltern und später bei meinen Eltern Arbeit fand. Ich erinnerte mich an den Ort Sonnenborn, den ich

auch problemlos im Internet finde. Das heutige Slonecznik liegt nur 13 Kilometer von meiner Route ab.

Also wage ich den Abstecher. Die Straße ist mehr als abenteuerlich, voller Schlaglöcher, eng und zum Teil wie eine Allee. Zweimal kommen mir Laster entgegen und wir müssen die Lücken suchen, um aneinander

vorbei zu kommen.

Im Dorf halte ich gleich zu Beginn an, da mich ein Storchennest begrüßt. Eine nette Polin, die aber noch in Gelsenkirchen wohnt, baut hier ihren Alterswohnsit und spricht mich an. Ich berichte von meiner Suche, aber sie weiß auch nicht, wer heute im alten Forsthaus wohnt. Es sollen junge Leute sein, die zugezogen sind. Wir klönen eine Weile, dann fahre ich einmal durch den Ort, und halte an der Kirche. Leider ist sie nicht zugänglich, ich kann nur durch ein Gitter reinschauen. Gerne hätte ich hier einen Moment verweilt und Lottchens Seele symbolisch nach Hause gebracht. Das alte Forsthaus finde ich leider auch nicht, es muss in einer der Seitenwege liegen, doch die sind alle sehr schmal und unbefestigt. Ich fahre lieber nicht hinein, wer weiß, ob ich da mit meinem großen Wagen durchkomme und wenden kann. Trotzdem war es für mich ein besonderes Gefühl, in Lottchens Geburtsort gewesen zu sein.

 

Die Weiterfahrt zum Elblagkanal geht zügig. Die meiste Zeit bin ich heute gut ausgebaute Autobahn gefahren. Nur mein Abstecher nach Sonnenborn und nun die letzten 25 Kilometer zum Kanal haben es in sich. Aber mein lieber Mann hat mir Koordinaten geschickt, von wo aus man die Fahrt der Schiffe über den „Berg“ gut sehen soll.

Doch etwa 800 Meter vor meinem Ziel sehe ich den Kanal und dort liegt ein Schiff und es parken einige Autos an der Anlegestelle. Da schau ich doch erst mal hin.

Von Schiff kommt ein junge Frau und spricht mich an.

Ob ich mitfahren möchte?

Wann denn?

Jetzt gleich. Ich werde mit dem Auto zum Schiff gebracht und komme in 2- 3 Stunden hier wieder an.

Das hört sich doch prima an. Hurra!

Ich schließe alles gut ab, packe Geld und Kamera ein und dann braust eine junge Frau mit mir los. Aber da noch ein Wohnmobil aus Rendsburg um die Ecke kommt, fährt sie noch mal zurück. Die Leute werden auch gefragt, ob sie mitwollen und nach kurzer Zeit sitzen wir zu dritt im VW Bus.

Was nun kommt ist nicht zu beschreiben. Die junge Frau rast derart durch die engen Wege und über

Kopfsteinpflaster, dass uns Angst und Bange wird. Auf meine Bitte, langsamer zu fahren, reagiert sie nur für 10 Sekunden. Dann wird das Gaspedal wieder durchgedrückt. Mit etwa 100 km/h fliegen wir über die maroden Straßen. Sie scheint jedes Schlagloch zu kennen, weicht ständig aus und schlingert hin und

her. Zweimal legt sie eine Vollbremsung hin, da uns jemand entgegen kommt. Mindestens 5 Vögel schaffen es nicht mehr, vor dem Auto wegzukommen. Wir drei Gäste sind nach der Fahrt, die etwa 25 Minuten gedauert hat, schweißgebadet.

Aber wir erreichen das Schiff, dass kurz vor dem ersten Berg auf uns gewartet hat. Im Gespräch mit einem anderen Gast erfahre ich, dass man schon fast eine halbe Stunde da rumgedümpelt ist. Daher hat sie wohl so Gas gegeben.

Die Fahrt nun auf dem Kanal ist jedenfalls das totale Gegenteil. Entspannung pur. Wir fahren durch eine schöne Landschaft bei herrlichem Sonnenschein. Viermal fährt das Schiff in einen Lorenwagen, der im Wasser liegt. Über ein Seil wird nun der ganze Wagen samt dem darauf liegenden Schiff die „Berge“ hochgezogen oder auch wieder runtergebracht. Eine Lore fährt hoch, die andere als Gegengewicht

runter.

Beim ersten Berg ist die entgegenkommende Lore mit einem Motorboot besetzt. Bei der letzten Fahrt auf den Berg müssen wir warten, da zwei Schiffe in den Loren sind,. Eins wird nach oben gebracht, eins fährt nach unten. Ich habe den Kapitän gefragt, ob ich vorne im Bug sitzen darf und er lässt mich tatsächlich in der Fahrt außen am Schiff nach vorne gehen. Ein netter weiterer Gast aus Waren an der Müritz kommt auch noch mit. So haben wir die besten Plätze und können die Fahrt richtig genießen.

Nach 2 ½ Stunden sind wir wieder am Parkplatz. Wir klönen noch eine Weile, ich koche mir noch einen Kaffee und dann fahre ich noch nach Malbork (Marienburg). Erst habe ich kurz überlegt, hier über Nacht stehen zu bleiben, da die Rendsburger dies auch machen, aber ich bin dann doch nicht so mutig und vor allem hätte ich dann kein Klo und morgen früh keine Dusche. Nee, das muss nicht sein.

Ich finde einen Stellplatz nur 1 Kilometer von der Burg entfernt. Im angrenzenden Sportlerheim bekomme ich noch ein leckeres Abendessen. Dann widme ich mich mal wieder dem Tagebuch, dass ich arg vernachlässig habe. Aber drei Tage schaffe ich, den heutigen Tag vertage ich auf morgen Abend. Online kann ich eh nichts stellen, da es kein Internet gibt. Gegen 22.30 Uhr falle ich todmüde ins Bett.