Als ich morgens in meiner Hütte aufwache, höre ich den Regen auf das Dach trommeln. Schon nachts, als ich aufs Klo musste, hat es geregnet. Das ist dann der Nachteil am Campingplatz. Du musst durch den Regen zum Waschhaus. Später mache ich wir wieder mit meinen provisorischen Hilfsmitteln (Plastikbecher und -besteck) mein Frühstück. Aber ich habe ja alle Lebensmittel dabei, so werde ich gut satt und dank des Kaffees auch wach.
Anschließend fahre ich noch ein wenig durch Kaikoura. Die Gegend, wo gestern das Schiff abgelegt hat, habe ich noch nicht gesehen. Es ist die andere Seite von meinem gestrigen Spaziergang. Ich wander hier noch eine Weile, denn es ist derzeit nur am Nieseln und genieße noch einmal die Aussicht über die Bucht. Plötzlich erkenne ich im Nebel, dass ein dickes Kreuzfahrtschiff vor Anker liegt. Ich versuche den Namen zu erkennen, um zu gucken, ob es aus der Meyer Werft kommt. Aber dieses Schiff ist in Italien gebaut.
Nach dieser Wanderung mache ich mich auf in Richtung Picton. Der Highway 1 ist frei, wenngleich ich wohl viel Glück habe. An den heiklen Stellen ist der Regen noch nicht so stark. Später wird es in Richtung Norden immer schlimmer und stellenweise ist die Straße komplett überschwemmt. Ich halte mehrfach an, weil der Scheibenwischer selbst auf höchster Stufe die Wassermassen nicht weggewischt bekommt. Später in Picton erfahre ich dann, das die Straße später wegen der heftigen Regenfälle gesperrt war. Während dieser erheblichen Baumaßnahmen nach dem Erdbeben ist vieles zurzeit noch sehr provisorisch und bei heftigen Regen schwemmt zu viel Erde über die Straße oder die Schotterwege. Da ist es dann zu gefährlich zum Fahren.
Ich komme aber sicher und wohlbehalten in Picton an. Da es bei dem Regen keinen Sinn macht, sich irgendetwas anzusehen, fahre ich zu meiner Unterkunft. Da ich aber nicht zu früh da aufkreuzen will, gönne ich mir vorher einen Kaffee bei Mac Donalds in Blensheim. Dummerweise vergesse ich, das Fahrlicht auszuschalten, dass ich bei dem Regen natürlich an hatte. Und als ich wieder in mein Auto steige und starten will, kommt nur noch ein leises Klick. Was für eine Schei... Was nun? Ich frage den netten Mann, der neben meinem Auto parkt, ob er helfen kann. Er schickt mich in Richtung Tankstelle, die nicht weit entfernt sein soll. Dann ruft er mich plötzlich zurück. Er hat sein Überbrückungskabel gefunden und gibt mir nun Starthilfe. Mensch, habe ich ein Glück. Der Wagen springt wieder an und ich kann meine Fahrt fortsetzen. Und der Regen war während dieser Zeit auch nicht so heftig, dass ich einigermaßen trocken unter der Regenjacke bin. Die letzten 25 Kilometer bis Picton reichen hoffentlich, um die Batterie wieder aufzuladen. Als ich an meiner neuen Unterkunft ankomme, parke ich aber sicherheitshalber so, dass ich im Notfall wieder überbrückt werden kann.
Bei meiner neuen Gastgeberin Helga fühle ich mich gleich wie Zuhause. Sie und ihr Mann Peter fahren beide Motorrad und als ich die Maschinen in der Garage sehe und von uns erzähle, ist das Eis sofort gebrochen, und wir haben uns viel zu erzählen. Trotzdem setze ich mich abends an den PC. Die Tage in Kaikoura hatte ich kein Internet und so ist das Tagebuch dringend zu bearbeiten. Auch kochen will ich. Helga lacht. Eigentlich ist das bei ihr nicht erlaubt, aber sie macht eine Ausnahme, als ich ihr verspreche, kein Fleisch zu verarbeiten. So kann ich meine Nudeln mit Rührei für zwei Tage machen und genieße nach den Tagen mit Burger und Chips endlich wieder vernünftiges Essen.
Trotzdem quäle ich mich die halbe Nacht mit erheblichen Bauchschmerzen. Das muss ich Zuhause dringend abklären lassen, da es mir hier immer mal wieder vom Bauch her nicht gut geht.
Der nächste Tag in Picton startet daher mit Pfefferminztee und Schonkost. Dann mache ich eine Fahrt durch die Berge rechterhand von Picton und erhasche immer wieder sensationelle Blicke auf den Marlborough Sound. Mein Auto ist am Morgen tadellos angesprungen, hurra. Das Wetter ist heute wie ausgewechselt. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel und ich genieße ein langes Bad im Sound und lasse mich anschließend von den Sonnenstrahlen trocken.
Später erobere ich Picton zu Fuß. Bei meiner Ankunft auf der Südinsel habe ich die Stadt gar nicht besucht, sondern bin gleich auf dem Queen Charlotte Drive nach Nelson gefahren. So schlendere ich durch den netten kleinen Ort. Es wimmelt hier nur so von Menschen, denn es ist ein Kreuzfahrschiff in der Bucht. Ich habe es aber noch nicht gesehen. Es muss sich in einem Seitenarm versteckt haben. Jedenfalls ist ein kleiner Markt aufgebaut, um die Touristenmassen zum Kaufen zu verführen. Ich genieße nur die Anblicke und ein kleines Eis. Mein Bauch hat sich etwas beruhigt und die Sonne macht Lust auf eine kalte Leckerei. Nach zwei Stunden habe ich dann aber genug von Stadt. Ich fahre noch einmal den Anfang meiner Route auf der Südinsel, den Queen Charlotte Drive . Und hier entdecke ich auch den Kreuzfahrtriesen. Und ich erkenne das Schiffe mit dem riesigen Auslegerarm mit der Gondel, in dem sich die Passiere über dem Schiff hin und her pendeln lassen können. Das habe ich auf der Meyer Werft im Modell gesehen. Und tatsächlich ist es die Ovation of the Sea, eines der größten Schiffe, die Meyer je gebaut hat. Ich komme mit einem Mann ins Gespräch, der auch das Schiff bestaunt. Es ist ein Engländer, der einen Pianisten auf seiner Konzertreise als Fotograf begleitet. Er erzählt, dass es sich um Boogie Woogie Musik handelt und er kennt auch Joja Wendt, der als einer der weltbesten Boogie Woogie Musiker gilt. Andrew hat auch schon viele Konzerte in Hamburg in der Fabrik besucht, reist aber mit vielen Musikern durch die Welt, um die Tourneen fotografisch zu dokumentieren. Es ist ein spannendes und sehr unterhaltsames Gespräch, das damit endet, dass ich Andrew mit zurück nach Picton nehme und wir fast noch eine Stunde im Auto sitzen und über Musik quatschen.
Dann fahre ich wieder in meine Unterkunft und mache mir mit Helga einen sehr netten Abend. Als es dunkel wird, ist es wolkenlos und da wir weit außerhab des Ortes sind und auch in der Nachbarschaft so gut wie kein Licht ist, erlebe ich den schönsten Sternenhimmel meiner Reise. Die Sterne bilden wirklich ein Zeltdach. Sie sind über den gesamten Himmel zu sehen bis hin zum Boden. Und es sind abertausende, die ich mit blossem Auge sehen kann. In der Kamera sind es dann noch viel mehr. Es ist unglaublich schön. Helga kommt raus und staunt. Das hat sie sich doch tatsächlich noch nie angeschaut. Ich kann es nicht glauben. Sie ist zwar erst vor 18 Monaten aus England nach Neuseeland übergesiedelt, aber trotzdem kann ich nicht verstehen, dass man noch nie nachts bewusst draußen war, um die Sterne anzuschauen. Sie ist total fasziniert und wir genießen sehr lange diese wunderschöne Nacht. Es ist nicht kalt und so kann man im T-Shirt und barfuss dieses Himmelsschauspiel genießen. Was für wunderschöner Abschluss der Zeit auf der Südinsel. Ich mag gar nicht ins Bett gehen. Aber morgen muss ich früh raus und so verschwinde ich dann doch gegen 23 Uhr in mein Zimmer. Und heute kann ich zum Glück auch besser schlafen. Nur gegen Morgen bin ich eher im Halbschlaf, da ich Angst habe zu verschlafen und die Fähre zu verpassen. Aber alle klappt prima.