Eine lange und sehr spannende Zeit hatte ich in der Nacht auf dem Mount John. Meine Fahrt zum Observatorium konnte stattfinden, was mich sehr gefreut hat. Ich habe noch vor der Abfahrt um 23.15 Uhr einige Sternenbilder am Lake Tekapo fotografiert. Das war schön, denn später war es nicht mehr möglich. Der Mond ist gegen 23.30 Uhr am Horizont aufgegangen und war 2 Tage nach Vollmond noch so hell, dass ab da kaum noch Sterne zu sehen waren. Aber es waren auch kaum Wolken am Himmel und mit den guten Teleskopen der Sternwarte konnte man viele spannende Konstellationen im Weltall sehen. Die Forschungseinrichtung ist auf absolute Dunkelheit (außer dem natürlichen Licht des Mondes) angewiesen und so hat der Shuttlebus tatsächlich auf halber Höhe am Berg das Licht ausgeschaltet und ist in der Dunkelheit diese spektakuläre Strecke hoch und auch wieder runter gefahren. Heute bei dem Mondlicht mag das ja noch gehen, aber wie sieht es bei Neumond aus? Aber die wissenschaftlichen Messinstrumente sind eben sehr fein und auch uns Gästen wurde eingebläut, das Blitz und anderes Licht z.B. vom Handy absolut verboten sind. Wir haben alle eine kleine Taschenlampe mit Rotlicht erhalten. Das ist okay und leuchtet den Weg auch aus. Endlich weiß ich nun auch, wo ich das Kreuz des Südens finde und wie ich daraus Süden berechne. De Führer hat ein sehr deutliches Englisch gesprochen, so dass ich ihm gut folgen konnte. Gegen 2.30 Uhr war ich dann endlich im Bett.
Am nächsten Tag war dann wieder ein Fahrtag. Beim morgentlichen Telefonat mit Thorsten gab es aber nicht so gute Nachrichten von Papi und so war ich die Fahrt über sehr unruhig und traurig. Ich grübel immer wieder, ob es nicht doch besser ist, vorzeitig nach Hause zu fliegen. Wenn er sterben sollte, habe ich ihn nicht mehr gesehen und ich weiß nicht, wie ich damit klar komme. Gleich nach dem Schlaganfall war alles so unsicher, da machte das Fliegen wenig Sinn. Dann ging es eine Weile gut voran, aber nun ist er ganz schwach und hat wieder große Probleme. Ich warte noch ein oder zwei Tage ab, dann sehen wir weiter.
Jedenfalls ist meine Stimmung nicht nach großem Sightseeing. Ich fühle mich traurig und alleine.Ich fahre direkt durch nach Christchurch. Meine neue Vermieterin hat mir den Schlüssel in den Briefkasten gelegt und so kann ich bereits um 15 Uhr in das Haus. Ich ruhe mich eine Weile aus und beschließe dann, noch mal ans Meer zu fahren und da heute Abend irgendwo lecker zu essen. Als ich gerade vom Hof will, kommt Barb nach Hause. Wir klönen noch eine Weile und sie gibt mir den Tipp, nach Lyttletown zu fahren. Also los.
Was sie mir verschwiegen hat, ist, dass ich durch einen ganz langen Tunnel durch einen Berg fahren muss. Das ist heute gar nichts für mich. In meiner Fantasie ist Christchurch ganz eng mit schwerem Erdbeben verbunden und ich allein in einem Tunnel. Ich muss ganz viel Willenskraft aufbringen, um hier sicher durchzukommen. Und später muss ich auch noch die gleiche Strecke zurück. Echt Scheiße, wo es mir heute eben emotional eh so mies geht.
Lyttletowns selber hat noch nicht mal was zu bieten. Ein großer Industriehafen und eine kleine Innenstadt, die aber völlig tot wirkt. Zu essen finde ich hier nichts. Auch ein Stück weiter an der Cosair Bay gibt es keine Möglichkeit etwas zu essen. Ich gehe ein kleines Stück an der kleinen Bucht entlang, sammel ein paar Muscheln und halte die Füße ins Wasser. Zu mehr habe ich einfach keine Lust. Zumal das Wasser sehr trüb ist und gar nicht so, wie ich es sonst von Neuseeland gewöhnt bin. Als ich wieder auf der Christchurchseite des Tunnels bin, versuche ich es noch im Städtchen Sumner. Hier ist zwar wieder eine schöne Küste mit Wellen und Meer und auch einigen Restaurants. Aber mich spricht nichts wirklich an. Also fahre ich in Richtung Unterkunft. Auf dem Weg habe ich dann noch Glück und entdecke eine kleine Brauerei, wo man auch etwas zu essen bekommt. Es liegt zwar nicht am Strand, aber es macht einen netten Eindruck und man kann draußen sitzen. Abends gehe ich sehr früh ins Bett und gucke Fernsehen, was ich hier so gut wie noch nie gemacht habe. Ich schaue mir aus der Mediathek einen Bericht über Neuseeland an und der berichtet tatsächlich über die Schaffarm am Mount Nicholas, wo ich ja von Queentown aus mit dem Boot war. Dann habe ich noch ein langes Telefonat mit Toddy und endlich kann ich schlafen.
Heute morgen habe ich dann wieder mit Toddy gesprochen. Im Laufe des Tages in Deutschland hat sich Papis Zustand etwas verbessert. Das beruhigt mich ein wenig. Viel passiert an einem Sonntag aber im Krankenhaus nicht. Warten wir Montag noch mal ab. Ich lasse es heute ganz ruhig angehen. Ich wasche zwei Maschinen Wäsche (hier kann man sogar ein Warmprogramm anwählen !!!) und während dessen lese ich mein Buch zu Ende. Das Wetter wird zunehmend besser und gegen Mittag breche ich auf und fahre nach Christchurch in die Innenstadt. Zunächst spaziere ich durch den wunderschönen Botanischen Garten. Herrliche, sehr alte und große Bäume spenden Schatten und wirken beruhigend auf Körper und Seele. Auch der Rosengarten ist wieder herrlich. Rund um den Botanischen Garten fließt der Fluss Avon und schafft eine besondere Atmosphäre in dieser Großstadt. Auf dem Wasser sind Kayakfahrer unterwegs und alle möglichen Wasservögel leben in dieser Naturoase. Herrlich sind auch die Gewächshäuser, in den ich zum Beispiel tolle Orchideen sehe und riesengroße Begonien. Nach diesem entspannten Spaziergang gehe ich zum Canterbury Museum. Ich wollte ja nicht mehr in Museen, aber hier findet zurzeit eine Ausstellung der 50 besten Fotografien von National Geographic statt. Die schaue ich mir in Ruhe an, zumal der Eintritt frei ist.
Dann wandere ich in Richtung Innenstadt und jetzt sieht man das Ausmaß des Erdbebens von 2011 deutlich. Viele freie Flächen, wo ganz Häuserkomplexe abgerissen werden mussten, weil sie eingestürzt sind oder so stark beschädigt waren, dass man nichts mehr retten konnte. Ein Teil der Cathedrale steht noch und es gibt Bestrebungen sie wieder aufzubauen. Aber nunmehr fast genau 7 Jahre nach der Katastrophe sieht es noch sehr eingefallen aus. Viel zu retten scheint da nicht zu sein. An anderen Stellen wird wieder neu aufgebaut, aber insgesamt ist die Innenstadt noch sehr tot. Nur wenige Geschäfte sind inzwischen wieder eröffnet. Ein großes Problem ist aber auch die zerstörte Infrastruktur. So mussten zunächst auch Wasser- und Abwasserleitungen sowie Strom- und Gasleitungen erneut werden. Und auch die Straßen waren zum Teil arg in Mitleidenschaft gezogen. Da ist nun vieles wieder hergestellt. Aber ich denke es wird noch Jahre brauchen, bis hier wieder ein pulsierender Stadtkern ist. Andere schöne alte Gebäude haben standgehalten oder wurden inzwischen saniert. Ein schöner Bau ist als "Notlösung" für die zerstörte Kathedrale entstanden . Die Cardboard Cathedral ist überwiegend aus Pappe gebaut. Sie war bereits 2 Jahre nach dem Beben fertig. Ein japanischer Architekt hat sie entworfen. Er hatte nach dem schweren Beben in Kobe vor einigen Jahren dort ein ähnliches Projekt verwirklicht. Diese Kirche ist nun ein Sinnbild für den Wiederaufbau der Stadt. Nach 5 Stunden wandern durch die Stadt habe ich dann aber genug. Ich kaufe noch ein, koche lecker und knuddel ganz viel den Hund von Barb. Ich bin heute Abend alleine im Haus und kann von daher so agieren, wie es mir gefällt. Lange am PC arbeiten, dabei läuft der Fernseher mit Maori TV. Morgen ist hier Feiertag. Der Jahrestag des Vertrags von Waitangi und das wird gefeiert. Und die Maori haben tatsächlich ihren eigenen Fersehsender und all die Tanze und Gesänge, die ich bereits auf Touristenveranstaltungen gehört habe, werden dort mit viele Leidenschaft auch gesungen und dargeboten. Viele Maori leben wieder die alten Bräuche und Riten und sind stolz auf ihre Herkunft. Und das Land nimmt sie ernst und hat Maori als zweite Landessprache anerkannt. Alle Städte haben auch Maorinamen, viele haben sich ja als einzige Namen durchgesetzt. An anderen Stellen ist es ein Doppelname geworden wie Aoraki Mount Cook. So kommt man einigermaßen gut miteinander aus. Aber es ist eben auch vieles falsch gelaufen bei dem Vertrag und erst seit einer offiziellen Entschuldigung der Königin von Großbritannien und den Bestrebungen einiges wieder gut zu machen, können die meisten Maori die Situation akzeptieren.